Thomas de Padova: Das Weltgeheimnis. Kepler, Galilei und die Vermessung des Himmels

Wenn zwei Genies aneinander vorbeireden

Cover de Padova Weltgeheimnis

Foto: Piper Verlag, München

Piper Verlag, München, Berlin, Zürich, 6. Auflage 2015 – www.piper.de

Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive sind die knapp zwei Jahrhunderte zwischen der Entdeckung der Sonne als Mittelpunkt unseres Planetensystems durch Kopernikus und Newtons Nachweis des Gravitationsgesetzes ein Füllhorn: Der Astronomie ist es damals gelungen, den Blick ins Universum zu weiten und die Stellung der Erde und des Menschen im Ganzen völlig neu zu definieren. Erheblichen Anteil daran genießen zwei Zeitgenossen, der Florentiner Galileo Galilei (* 1564) und der Schwabe Johannes Kepler (* 1571), der die entscheidenden Jahre seines Schaffens in Prag verbrachte. Ihnen hat Thomas de Padova sein Buch „Das Weltgeheimnis“ gewidmet, das beider Leben und Werk darstellt und würdigt, ihren bislang wenig bekannten Briefwechsel auswertet und nebenbei ganz unaufdringlich das Panorama jenes komplexen Zeitalters aufspannt.

De Padova schildert Galilei als genialen Entdecker, der empirische Beobachtung und wissenschaftliche Theorie auf Engste miteinander verknüpft und darüber die Grenzen der Erkenntnis ständig ausgedehnt hat; als brillanter Redner wusste er sich zugleich geschickt zu inszenieren. Der vom Schicksal immer wieder gebeutelte Kepler erscheint dagegen als bescheidener, ja von Selbstzweifeln gequält, obwohl er in Jahren mühevoller Kleinarbeit eine gigantische wissenschaftliche Leistung erbracht hat: die Berechnung der elliptischen Planetenbahnen.

Verglichen mit der Größe jedes der beiden für sich ist der erhalten gebliebene Briefwechsel von 1597 und von 1610 bis 1612 eine Enttäuschung. Häufig schrieben sie aneinander vorbei, weil Kepler zu ungestüm von Galilei klare Bekenntnisse zugunsten des kopernikanischen heliozentrischen Weltbildes forderte, was der wiederum noch nicht riskieren wollte. Galilei ließ sich auf der anderen Seite von Kepler ungern in die Karten blicken, gab stattdessen den Überlegenen und konnte sich nicht dazu überwinden, die Leistungen seines Gegenübers anzuerkennen. Es ist ein Verdienst de Padovas, plausibel zu machen, warum die beiden nicht nur aus Mentalitäts-, sondern auch aus sachlichen Gründen keinen gemeinsamen Nenner fanden: Kepler hatte noch von dem dänischen Himmelsforscher Tycho Brahe in Prag gelernt und kam von der Astronomie her, während Galilei Erkenntnisse aus der Mechanik allmählich auf die Astronomie übertrug und dabei ganz anders dachte und ganz anders vorging als sein deutscher Kollege. Mit den elliptischen Planetenbahnen konnte er nie etwas anfangen.

Viel besser geglückt als die Kommunikation Keplers und Galileis ist jedenfalls Thomas de Padovas Nachspüren und Nachzeichnen ihres Lebens und ihrer wissenschaftlichen Leistungen. Im „Weltgeheimnis“ steckt ein wunderbar dargebotenes Stück Wissenschaftsgeschichte, das trotz seiner Fülle an Material stets frisch, locker und anregend bleibt.

Malte Heidemann

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